Ohorns Geschichte im Überblick
Ohorn- ein Waldhufendorf im Pulsnitztal wird zur Bänderstadt bis hin zum heutigen staatlich anerkannten Erholungsort.
Ohorn vor 1900
Erst im Jahre 1100 zogen deutsche Ritterheere in die Gegend um Ohorn und besiedelten das Wald- und Bergland im Pulsnitztal. Dabei wurden die Sorben weiter nach Osten verdrängt. Erst Markgraf Ekkehard von Meißen gelang die komplette Unterwerfung der Minderheiten.
Das Bestreben der deutschen Ritter lag darin, das Pulsnitztal in eine wirtschaftliche Landschaft für Arbeiter und Bauern zu entwickeln. Dafür wurden rund um die Pulsnitz und die Röder viele Waldlandschaften gerodet und die Sümpfe trocken gelegt. Nach und nach entstand eine kleine Siedlung aus einfachen Holzhütten. Jedem Bauer wurde ein bestimmtes Land zugewiesen, die sogenannte Hufe, welche rund 20 Hektar betrug. Von Anfang an musste die Ohorner Bevölkerung viele Kriege um die Vorherrschaft dulden. Bereits 1450 wurde Ohorn in die Teile Meißnisch-Ohorn und Böhmisch-Ohorn geteilt. Oft wurde die Ohorner Bevölkerung Opfer vieler Raubzüge. Erst 1607 wurde Ohorn politisch geeint. Trotzdem unterschied man noch in der Verwaltung den Meißner- und den Böhmischen Teil Ohorns. „Am 28. März 1857 ist der Geburtstag der Gesamtgemeinde Ohorn, wie wir sie heute noch haben.“ 2 Für Ohorn hatte dieser Tag eine wichtige Bedeutung. Die vier politischen Gemeindeverbände schlossen sich nun zu einem großen Gemeinderat aus verschiedenen Bevölkerungsklassen zusammen. Zu dieser Zeit zählte Ohorn rund 260 Häuser und 1760 Einwohner. 3 Auch in Ohorn hinterließ die Industrialisierung ihre Spuren. Es entstanden viele kleine Hauswebereien wie überall in der Oberlausitz. 1873 gründete Carl Heinrich Schäfer eine Firma zur Herstellung von Webstühlen. Damals war diese noch ein kleiner Handwerksbetrieb mit fünf Beschäftigten. Seitdem rasselten in jedem Haus ununterbrochen die Webstühle. Somit wurde die Textilindustrie zu einem der bis heute wichtigsten Industriezweige in Ohorn. In dieser Zeit traten auch verschiedene Gesetze in Kraft, wie z.B. das Schulgesetz. 1879 wurde das bis heute erhaltene erste Schulhaus von Ohorn eingeweiht. Die Schule zählte damals rund 300 Kinder. Bis 1900 wurde die Ohorner Bevölkerung auf viele Bewährungsproben gestellt, so erlagen 1449 rund 5/6 der Bevölkerung der Pest. Oft wurden viele Häuser Ohorns durch Feuerbrünste total zerstört, unvorhersehbarer Kälteeinbruch, wie zu Pfingsten 1866, vernichtete ganze Ernten. Erst mit der Industrialisierung besserte sich die Lage in Ohorn grundlegend.
Ohorn im 20. Jahrhundert
„Dass Ohorn all die Nöte der Frondienste und der Kriegswirren verhältnismäßig gut überstand, ist dem Umstand zu verdanken, dass es sich aus einer rein bäuerlichen Gemeinde allmählich zur Industriegemeinde entwickelte.“ In den sogenannten Gründerjahren (1871-1910) entstanden die noch heute bestehenden großen Bandwebereien. Aus der Bauernbevölkerung entwickelte sich eine neue Gesellschaftsklasse heraus. Die Fabrikanten und deren Frauen bildeten den neuen Mittelstand Ohorns, während Arbeiter und Bauern das „Proletariat“ 4 bildeten.
Auch Ohorn musste in den Kriegsjahren des Ersten Weltkrieges Blutzoll zahlen. 65 junge Soldaten kehrten nicht wieder in ihre Heimat zurück. Zum Gedenken an sie kann man ihre Namen heute am Ehrenmal auf dem Schleißberg lesen. Die Nachkriegszeit war von Hungersnöten und Armut gekennzeichnet. Zu dieser Zeit wurde der Schwarzhandel zu einem lukrativen Geschäft. Als die Folgen des Krieges überwunden zu sein schienen, begann in Deutschland die Inflationszeit. Bereits 1923 zählte Ohorn über 400 Arbeitslose. Die Inflation war nicht mehr aufzuhalten. Die wirtschaftliche Lage änderte sich bis 1930 grundlegend nicht, deshalb setzten auch viele Ohorner Hoffnung in die NSDAP. Unter der Führung Hitlers wurde Ohorn neu strukturiert. Viele Beamtenstellen wurden umbesetzt, Lehrer wurden entlassen und ersetzt. Der damals amtierende Bürgermeister Richard Kretschel wurde beurlaubt.
Dennoch profitierten viele Ohorner Firmen von dem Bau der Reichsautobahn. Den noch heute existierenden Autobahnanschluss verdankt Ohorn, dem damaligen Bürgermeister. Ohorns Wirtschaft erlebte in dieser Zeit einen Höhenflug, da eine Ausrüstung der neu entstandenen militärischen Verbände die Produktion antrieb. „Sehr bald erhob sich das Gespenst des nahenden Krieges.“ 4
Am 26. August 1939 wurden rund 100 Männer der Ohorner Bevölkerung alarmiert, sich auf den Mobilmachungsplätzen zu versammeln. Von da an rollten auf der Autobahn ununterbrochen die Transporte `gen Osten. Bereits Ende 1939 waren 200 Ohorner Einwohner einberufen, am 1. September 1944 waren es 489. Nur wenige der betroffenen Männer kehrten je in ihre Heimat zurück. Gegen Kriegsende wurde Ohorn komplett evakuiert. Die sowjetischen Truppen eroberten Ohorn am 7. Mai ohne Widerstand. Wichtige Betriebe und einzelne Häuser wurden niedergebrannt. Bereits am 10. Mai kehrten viele der Flüchtlinge nach Ohorn zurück.
Der neue Bürgermeister Richard Gärtner war nun verantwortlich, die Kriegsspuren in Ohorn beseitigen zu lassen. Als sich Ohorns Lage entspannte, kam ein neues Problem auf. Zirka 400 Umsiedler aus den östlichen Gebieten suchten eine neue Heimat. Im Juli 1945 war die Hungersnot größtenteils überstanden. Viele Bauern bewirtschafteten wieder ihre Felder, auch die Webstühle rasselten in den kleinen Hauswebereien. Die alten Fabriken wurden aufgebaut. Die Maschinenfabrik von C. H. Schäfer, welche zu 70 % zerstört war, wurde durch freiwillige Hilfe wieder restauriert. Auch der Schulbetrieb ging los. Langsam kehrte nach diesem schlimmen Krieg normales Leben in Ohorn ein. Bereits 1949 beschäftigte die Firma C. H. Schäfer 89 Arbeiter und produzierte nach dem altem Fertigungsprogramm. Als neuer Bürgermeister wurde Richard Gärtner gewählt. Durch ihn wurde die Ortsgruppe der KPD und der SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschland in Ohorn vereinigt. Am 15. Februar 1958 wurde dann die LPG „Bergland“ mit 17 Mitgliedern gegründet. In der DDR wurde die Textilindustrie in Ohorn wieder extrem gefördert. So spezialisierten sich die einzelnen Weberein, z.B. die Firma R E. Schöne produzierte verstärkt Reißverschlussbänder, hingegen die Firma Franz Schäfer Etiketten, Wäsche- und Kleidungsstücke produzierte. Auch das Erscheinungsbild von Ohorn veränderte sich in den 50-er Jahren maßgebend. Der Kindergarten wurde 1952 feierlich wiedereröffnet, die Schule wurde saniert und das ehemalige Rittergut, welches seit 1949 als SED Parteischule diente, wurde 1957 aufwändig zum Pflegeheim älterer Leute umgebaut. Die Einwohnerzahl in den 50-er Jahren betrug 2821 5. 1958 kam es zu großen strukturellen Veränderung in der DDR, bei denen auch Ohorn betroffen war. Die Bodenreform wurde durchgesetzt und eine neue LPG Typ I wurde gegründet. „1960 wurde Ohorn zum vollsozialistischen Dorf.“ 6 Nach dem örtlichen Zusammenschluss zeichnete sich der nächste Schritt in der Entwicklung zur Großraumwirtschaft bereits ab. Die Genossenschaften der Orte Ohorn, Pulsnitz, Lichtenberg, u. a. gründeten eine Großkooperation, deren Gesamtnutzfläche 4000 ha beträgt. In den Jahren 1965 – 1968 wurde die Asbestwarenfabrik Geyer & Co. durch den Staat saniert und gefördert. Dort wurden Asbest und Glasfasern für die Schwerindustrie produziert. In den 60-er Jahren wurde das gesellschaftliche Leben der Gemeinde wiederbelebt. Die Gemeindebücherei wurde 1966 wiedereröffnet. Außerdem gründeten sich viele Vereine neu, wie z. B. „Turnen und Sport“ und „Natur- und Heimatfreunde“. In den 70-er Jahren wurden fast alle Betriebe in volkseigene Betriebe umgewandelt. Somit entstand aus der Asbestwarenfabrik die heute noch bestehende Firma „Asglatex“, aus der Maschinenfabrik C. H. Schäfer wurde VEB Getriebe Ohorn. Trotz der verhältnismäßig großen Industrie wurde Ohorn 1970 zum „staatlich anerkannten Erholungsort“ erklärt und verzeichnete bis 1977 jährlich 550 Urlauber 7. In den 80-er Jahren erlitt Ohorn keine großen Veränderungen. Lediglich wurde die Firma VEB Getriebe Ohorn vergrößert und ein neues Schulhaus an das alte angebaut. Dieses angebaute Schulhaus ist die heutige Grundschule Ohorn.
Ohorn nach 1990
Nach der Wende wurde Ohorn der Kreisstadt Bischofswerda zugeordnet und existierte da als eigenständige Gemeinde. Die Trägerschaft wechselte bereits am 01. Juni 1994. Bei der Kreisreform wurde Ohorn dem Landkreis Kamenz zugeteilt. 1999 wurde der Ort Ohorn 650 Jahre alt, dies wurde mit einem großen Festumzug gefeiert. In jenem Jahr wurde auch die Verwaltungsgemeinschaft Ohorn – Pulsnitz gegründet. Von da an wurde fast der gesamte Verwaltungstrakt der Stadt Pulsnitz übertragen. Ohorn blieb trotzdem eine eigenständige Gemeinde.