Ohorn – Das Bürgerportal

Sie wollten wider den Stachel löcken ...

Das erstemal wurde im Jahre 1603 der herrschaftlichen Willkür Widerstand geleistet. In diesem Jahre erbte Wolf Georg von Schönberg Ohorn. Von ihm schreibt der Chronist: „Hatte der Vater seine Untertanen mit Peitschen gepeitscht, so züchtigte sie dieser mit Scorpionen.“ Die Pulsnitzer und die Untertanen der umliegenden Orte, auch die Ohorner, beschlossen, dem neuen Herrn den Lehnseid zu verweigern und ihm nicht zu huldigen. Aber bald verließ die Pulsnitzer und die Ohorner der Mut, sie ließen sich einschüchtern und huldigten dem neuen Herrn im Januar 1604. Bretnig und Hauswalde blieben aber fest. Sie schickten 30 Abgesandte mit einer Beschwerdeschrift ans Amt nach Budissin. Die Abgesandten wurden als Rebellen verhaftet, die Beschwerde wurde abgewiesen. Die beiden Dörfer mußten Abbitte leisten und wurden zu neuem Gehorsam gezwungen. Es wird berichtet, daß damals eine ganze Reihe Bauern und Häusler der Herrschaft bei Nacht und Nebel entlief, sie ließen alles im Stich. Ihre Häuser standen leer und verfielen, denn niemand fand sich, der sie und damit die ungeheuren Lasten, die darauf lagen, übernehmen wollte.

Fast zweihundert Jahre lang fügten sich nach diesem mißglückten Versuch unsere Bauern und Häusler wieder in ihr Joch — nur ab und zu grollte es unter der Oberfläche, aber schnell wurde jedes Aufflackern erstickt. Im Jahre 1713 war in Ohorn wieder einmal ein Herrschaftswechsel. Der neue Gutsherr war Maximilian von Maxen. Infolge einiger Mißernten war damals die Not ins Unerträgliche gestiegen. Die Bauern versuchten durch ihre Wortführer Philipp vom Grundstück Nr. 146 und Grohmann vom Grundstück Nr. 158 Befreiung von den harten Frondiensten zu erlangen. Sie erklärten: „Wegen großer Armuth und unleidlicher Abgaben sind wir nicht mehr imstande, die harten Frondienste ferner zu verrichten, es möge werden wie es wolle.“ Die Bauern kamen den ganzen Sommer über nicht zu ihren Diensten auf den Hof. Sie nahmen vielmehr einen Dresdner Advokaten zu Hilfe, der Bittgesuche an den Kurfürsten richtete. Als er ihnen nicht energisch genug vorging, wandten sie sich an den Advokaten Schede in Radeberg. Dieser schrieb in einem Bittgesuch die für damalige Zeit ungeheuerlichen Sätze: "Wir vergehen vor solchem Zustande, leiden Hunger und Kummer, derweilen uns Weiber und Kinder crepieren. Unzählige neue Dienste und Beschwerungen werden uns auferlegt; unter Androhung des Baues und der Erfindung neuer Gefängnisse werden wir in unserem Joche bedroht.“ Schede kam dafür beinahe ins Gefängnis, das Los der Bauern erfuhr keinerlei Milderung. Der Gutsherr ernannte vielmehr den Kamenzer Advokaten Kühnel zu seinem Generalbevollmächtigten — da er sich nicht selber „mit solchen halsstarrigen Menschen“ abgeben möchte. Kühnel versuchte nun mit aller Strenge, die Ohorner wieder gefügig zu machen und schritt schließlich zu Exekutionen, d.h. Zwangsvollstreckungen, die unter einem bestimmten Zeremoniell vorgenommen wurden. Aus dem Türpfosten wurde ein Span ausgehauen, ein Rasenstück vor der Tür wurde ausgestochen, mit Ergreifen des Tisches, Niedersitzen, Auf- und Zuschließen der Stubentür wurde das verschuldete Gut dem bisherigen Besitzer genommen und dem der Herrschaft gefügigen neuen Besitzer übergeben.

Aber auch dadurch ließen sich die Bauern nicht abschrecken, und im Jahre 1718 erreichten sie schließlich einen Receß, der ihnen beträchtliche Erleichterungen brachte.
Im Jahre 1790 kam die Kunde von der französischen Revolution auch in unsere Gegend. Die Bevölkerung geriet in ungeheure Erregung. Die Bauern glaubten, nun sei endlich ihre Stunde gekommen. „Sendboten zogen hin und wieder, die noch ruhigen Ortschaften zu alarmieren. Auf Dorfangern und in den Schänken hielten sie Reden: Abschütteln laßt uns das Joch der Dienstbarkeit. Herbei, herbei! ihr Männer, lernt die Freiheit kennen und genießen. Erwacht! Was zaudern wir in verderblicher Trägheit? Wir wollen den Gutsherren nichts, gar nichts mehr geben. Keine Dienste, keine Sclaverei, keine Zehnten an Geistlichkeit und Obrigkeit, keine aus alter barbarischer Zeit der Knechtschaft uns angesonnene Dienstgelder mehr! Weg mit Frohnen und Frohnden! Weg mit den Herrschaften, nur der Landesvater sei unser Herr. Männer sind wir, der Bauernstand ist der nützlichste im Staate! Herren sollen fortan die wackeren Bauern sein und ihre Obrigkeit wählen sie sich aus sich selbst.“
Am 7. September 1790 versammelten sich die Ohorner und Obersteinaer Bauern auf der Hofewiese und ließen der Herrschaft durch den Verwalter alle Dienste und Zinsen aufkündigen. Sie gingen daraufhin wieder ruhig nach Hause und warteten ab. Die Folge war der Inquisitionsprozeß vor der Juristenfakultät in Leipzig. Die sogenannten „Rädelsführer“ sollten allesamt ins Zuchthaus wandern, man ließ aber dann „Gnade vor Recht ergehen“ (wohl aus Rücksicht auf die immer mehr gesteigerte Erregung im ganzen Volke) und verkündete im März 1791 das „moderierte Urthel: Die Anführer wurden mit 6 Wochen Gefängnis belegt, die anderen kamen mit kürzeren Gefängnis- und Haftstrafen weg. Allerdings mußten sie außerdem die sehr erheblichen Gerichtskosten tragen. Die Herrschaft erklärte, daß sie „infolge der geschehenen Widerspenstigkeit“ keine Minderung der schuldigen Lasten gewähren könne.

Wie die allgemeine Entwicklung doch allmählich zur Befreiung der Bauern führte, ist im vorigen Kapitel bereits zum Ausdruck gebracht worden.