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Alte Kaufverträge - Ausgedingeverträge

Viel Interessantes und Ergötzliches erfahren wir aus alten Kauf- und Ausgedinge-Verträgen. Sie wurden auch Altenteile oder Auszüge genannt. In diesen Verträgen verpflichteten sich die Gutskäufer zu bestimmten Leistungen gegenüber den bisherigen Besitzern. Da sich die Altbauern nach jeder Richtung hin sicherten, um bis zu ihrem Ableben gut versorgt zu sein, wurden diese übernommenen Verpflichtungen oft zu drückenden Lasten. Im folgenden sei ein Häusler-Nahrungs-Kaufvertrag aus dem Jahre 1775 mitgeteilt (Häusler-Nahrung Nr. 31 im Oberdorf!):

Käufer (Sohn) verpflichtet sich:

  1. freye Herberge zu gewähren,
  2. in der Wohnstube die hintere Hälfte nach der Hölle zu, benebst der hinteren Ofenbank und der Hölle dem bisherigen Besitzer zu belassen,
  3. die Oberstube nebst der daran befindlichen Kammer und
  4. in dem oberen Vorhause den Raum von der Treppe bis an die Oberstubenthür zu lassen,
  5. auf dem Oberboden den gleichweiten Platz zur Aufbewahrung des Flachses,
  6. ein Plätzchen auf der oberen Seite des Stalles zur Stellung einer Ziege,
  7. in der Gasse die Freyheit Laub zu striffeln,
  8. ein Räumchen im Keller auf der niederen Seite,
  9. im Garten den Platz von Gottlob Kaisers Gartenecke vier Schritt herunterwärts breit, der Länge nach aber bis an den Zaun gegen das Dorf hereinwärts,
  10. ein Plätzchen hinter dem Schuppen hinauswärts zu einer Düngergrube,
  11. ein gedüngtes Beet im Garten zu Erdbirnen, legt aber der Wirt die seinigen auf ein Bauernfeld, so muß das Beet 60 Schritte lang sein, Verkäufer gibt den Saamen,
  12. ein Beet im hinteren Gärtchen zu Sallat,
  13. alljährlich vier Kannen Butter,
  14. alle Sonntage eine Kanne süße und jedesmal, wenn gebuttert wird, eine Kanne Buttermilch, solange beydes in der Wirtschaft vorhanden,
  15. die dritte Flachsdarre, 16. den dritten Teil von allem zu erbauendem Obst, es habe Namen wie es wolle,
  16. freyes Backen, Waschen und Kochen bey des Wirtes Holze; sollte aber die Mutter vor dem Vater versterben, so ist der Wirth verbunden, letzterem die nöthige Wäsche waschen zu lassen (der Vater giebt die Seife darzu), sowie er auch auf diesem Fall sodann schuldig seyn soll, demselben das Gespinste bis zum Kochen zuzurichten,
  17. das zum Hause gehörige Stückchen in der Gemeindewiese über dem Weg nach dem Oberdorfe,
  18. sollte die Mutter vor dem Vater versterben, so behält sich ersterer, falls er zu einer anderen Ehe schreiten sollte, die Herberge für eine künftige Frau vor,
  19. ferner stipuliert sich (bestimmt) Verkäufer, daß wenn seine übrigen noch unverheuratheten Kinder krank, preßhaft (geistig beschränkt) oder auch nur unverehelicht und dienstloß seyn sollten, selbigen bis sie wieder gesund oder verehelicht sind, in dem verkauften Hause freye Herberge haben. Insbesonder soll der mittelste, Johann Gottlieb, wenn er etwa preßhaft werden und bleiben sollte, sein Span- und Federbett behalten,
  20. daferne sich der Vater nach der Mutter Tode wieder verheurathet, so soll die jüngste Tochter das Elterliche Ober- und Unterfederbett erhalten, insofern sie nicht schon vorher mit dergleichen Betten ausgestattet worden,
  21. für die in dem Hause befindlichen zwey Webstühle und ein Spulrad, welches sich alles Verkäufer ebenfalls zu seinem Gebrauche vorbehält, muß Käufer außer der stipulierten Kaufsumme auf Verlangen annoch 12 Thaler zahlen. Daferne aber Käufers Aeltern dessen nicht benöthigen und sich deshalb diese 12 Thaler bey ihren Lebzeiten nicht auszahlen lassen, so sollen selbige nach ihrem Ableben deren sämtlichen Geschwistern des Käufers mit ihm zu gleichen Teilen anheimfallen.

Unterschrieben ist dieser „Contract“ vom damaligen Rittergutsherrn Carl Wilhelm von Carlowitz als Gerichtsherrn.
In einem Vertrage aus dem Jahre 1730 findet sich folgende aufschlußreiche Bestimmung: „Ingleichen verspricht Käuffer seiner Mutter freye Herberge in seinem Hauße, solange sie leben bleibet. Sollten aber beide sich nicht vertragen können, so will Käuffer das Häußgen, wo der Backofen ist, vollends verfertigen und ausbauen lassen, daß die Mutter darin wohnen Kan.“

„Sollte auch der liebe Gott etwas von Obste an Birnen, Aepfeln und Pflaumen bescheren, bekombt die Mutter das 3. Theil davon, was aber von Holunder-Bäumen in Vaters Gärthgen stehet und aufwachsen möchte, behält die Mutter; wie auch einen Nußbaum, der im Gärthgen stehet, vor sich allein.“
In einem anderen Vertrage bedingt sich der Verkäufer aus: „in der Wohnstube einen Raum, von der hinteren Wand bis an den Ofen, nebst der hinteren Ofenbank und Hölle“!

In einer Ausgedinge-Bestimmung aus dem Jahre 1843 sind die übernommenen Lasten noch drückender. Unter vielen anderen Dingen werden gefordert: Jährlich 20 Pfund geräucherter Speck, 39 Kannen Butter, der gesamte Gemüsegarten, zwei Wiesen für die Kuh und schließlich: „Auf Verlangen unentgeltliche Besuchs- und Spazierfuhren.“

Es ist verständlich, daß derartige Bestimmungen oft zu Reibereien im Zusammenleben führten. Die Altbauern fühlten sich oft von ihren Schwiegersöhnen oder -töchtern, aber auch von eigenen Kindern übervorteilt. Ganze Aktenbündel berichten vom Einschreiten des Gutsherrn bei Ausgedingestreitigkeiten.