Ohorn – Das Bürgerportal

Frondienste, Geld- und Naturalabgaben

Unsere Vorfahren waren Erbuntertanen ihrer Herrschaft. Die Herrschaft übte ein sogenanntes Obereigentumsrecht über ihre Untertanen aus. Ursprünglich zahlten die bäuerlichen Siedler lediglich einen geringen Erb- oder Bodenzins für ihr Hufengut. Für den Schutz, den ihnen der Lehnsherr gewährte, gaben sie anfangs freiwillig Geld- und Naturalabgaben. Daraus wurde sehr bald ein Zwang, und je anspruchsvoller und üppiger das Leben der Adligen wurde, um so drückender wurden Dienstverpflichtungen und Abgaben, die die Herrschaft kraft ihres Obereigentumsrechtes verfügte. Außerdem unterstanden die Bauern und Häusler auch noch der herrschaftlichen Gerichtsbarkeit. Sie waren diesen oft harten und ungerechten Urteilssprüchen und Verfügungen fast rechtlos ausgeliefert. Es bestand zwar neben dieser sogenannten niederen Gerichtsbarkeit noch die obere Gerichtsbarkeit (für Böhmisch-Ohorn das Oberamt Budissin Bautzen, für Meißnisch-Ohorn das Amt Radeberg). Doch diese Amtsstellen entschieden bei Beschwerden und Bitten stets zugunsten der Herrschaft, so daß der arme geplagte Bauer nie zu seinem Rechte kam.

Außer den Hofediensten — oft Tag für Tag — mußten Bau- und Wachdienste, Jagddienste und „Bothen-Zechen“ (Botschaftslaufen) geleistet werden. Die Jagddienste waren besonders gefürchtet, mitten im strengen Winter waren die dazu befohlenen Treiber oft tage- ja sogar wochenlang von zu Hause weg, des Nachts suchten sie sich irgendeine Lagerstätte, oft unter freiem Himmel. Manche erfroren, andere wurden von wilden Bestien angefallen. Noch im Jahre 1740 wurde in unserer Gegend eine große Wolfsjagd veranstaltet. Im Bretniger Rittergutswalde wurden mehrere Wölfe getötet. Für alle Mühen und Beschwerden bekamen die Bauern während der Jagd täglich nur „zwei Groschen, ein paar Haferbrode, einen Käse und ein Kändel mit Bier“. Unsere Wälder hatten bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts einen reichen Wildbestand. Der Wildschaden auf den Feldern machte den Bauern enorm zu schaffen, aber bei Androhung schwerster Strafen durften sie sich nie an einem Stück Wild vergreifen. Besonders drückend empfanden unsere Bauern außerdem die Trift- oder Hutungsgerechtigkeit des Rittergutes. Rücksichtslos wurden große Schafherden auf die Felder und Wiesen der Bauern getrieben.

Als Geldabgaben waren an die Herrschaft zu entrichten:

  • der Erb- oder Silberzins = eine Grundsteuer,
  • das Laudemium, eine Erbschaftssteuer,
  • das Stuhlgeld für jeden Band- oder Leinenwebstuhl,
  • das Losgeld beim Wegzug eines Erbuntertanen,
  • das Schanzgräbergeld,
  • die Quatembersteuer, auch Trank- oder Mahlgroschensteuer genannt,
  • die Milizgelder bei Truppen-Einquartierungen,
  • die Steuerschocke (für das unbewegliche Eigentum waren jährlich für den Wert eines Schockes Groschen 4 Pfennig zu entrichten),
  • die Rauchfangsteuer (1567 wurden alle Feuerstätten im Orte gezählt und mit einer Steuer belegt).

Dazu kamen nun noch die zahlreichen Natural-Abgaben:

  • das Magazin-Getreide an das Amt,
  • das Zinskorn, der Zinshafer, die Zinshühner, die Zinsgänse für die Herrschaft,
  • schließlich „zwei Viertel Korn, zwei Viertel Hafer, zwei Kloben Flachs den Herren Geistlichen in Pulsnitz, außerdem ist ihnen das Deputatholz zufahren und sind Amtsfuhren bei Nottaufen und Ausspendung des heiligen Abendmahls an Sterbende zu leisten“.

Auch das Gesinde hatte der Herrschaft „Dienste und Zinse“ zu leisten. der Gesindeordnung vom Jahre 1689 lesen wir: „Die Hausgenossen temporäre (zeitweilige) Gerichtsuntertanen haben
a) dem Gerichtsherren jährlich 6 Tage Handdienst zu leisten,
b) einen weißen Prager Groschen aus Silber zu zinsen,
c) bei dem Gerichtsherrn vor allen anderen um ein gewöhnlich Lohn arbeiten“.

Eine interessante Zusammenstellung aller Lasten, die auf dem Grundstück Nr. 171 ruhten, hat uns der Einhufen-Bauer Joh. Georg Mager aus der Jahre 1820 hinterlassen:

Abgaben, Dienste und Zinße:

  • 20 gangbare Steuerschocke a Schock jährlich 58 = 4 Thaler, 8 *,
  • Rations = jährlich 2 Thaler 22 Groschen,
  • Straßenbaugeld = jährlich 18 Groschen,
  • Hofedienstgeld = 24 Thaler (die Hofedienste durften damals bereits z. T. in Geld abgeleistet werden),
  • 24 Spanntage auf dem Hofe zu thun,
  • Walpurgis-Zinße 11 Groschen, 3 ,
  • Michaelis-Zinße = 13 Groschen, 9 ,
  • ein Scheffel, acht Mezen Zinßkorn, altes Maß,
  • ein Scheffel, zwölf Mezen Zinßhafer auf den Hof zu geben,
  • eine Ganß oder 12 Groschen auf den Hof zu geben,
  • zwey Hähnel oder 7 Groschen auf den Hof zu geben,
  • zwey stck Garn zu spinnen — die Herrschaft gibt davor 2 Groschen Spinnerlohn,
  • die Pflegewiese auf dem Ostra-Vorwerke zu hauen und dürr zu machen,
  • zwey Viertel Korn und zwey Viertel Hafer, altes Maas an die H. Geistlichen,
  • ein Clafter Holz von der Herrschaft an die H. Geistlichen nach Pulsnitz fahren,
  • zwey Groschen baares Geld und ein Brod von 10 Pfund an den H. Schulmeister,
  • zwey Mezen Korn, zwey Mezen Hafer ins Magazin nach Dresden zu liefern.

So steigen die Nöte vergangener Zeiten lebendig vor uns auf, und es erscheint uns Gegenwartsmenschen unfaßbar und rätselhaft, daß unsere Vorfahren all die Lasten und Bedrückungen so gleichmütig und unerschütterlich haben ertragen können. Sie wurden nie ihres Lebens froh, und mehrmals finden wir in alten Berichten den Stoßseufzer: „Möchten doch die Zeiten bald zum Beßeren wechseln.“
Aber immer wieder finden sie sich mit dem angeblich gottgewollten Zustande ab. Wird ihnen doch einmal eine kleine Erleichterung bewilligt, so lesen wir: „Man ist darüber herzlich froh und liebt und lobt seine Herrschaft.“ Zweimal in der Geschichte Ohorns ist der Versuch gemacht worden, am Joch zu rütteln, beide Male ohne Erfolg. Doch im Zuge der Zeit erledigten sich eine Anzahl drückender Lasten von selbst. Neujahr 1829 wurde der Gesindezwang aufgehoben, allerdings gegen Zahlung einer Ablösung. Es folgte die Schafhutungsbefreiung. Die interessante Urkunde befindet sich im Gemeindearchiv. In ihr verpflichten sich die Ohorner Bauern zur Zahlung von 10 000 Talern. 1331 endlich brachte das sächsische Landtag-Gesetz über Ablösung endgültige Klärung. Mit Hilfe von sogenannten Landesrentenbriefen konnten sich nun auch die Ohorner von allen Fronpflichten loskaufen. Die neu geschaffene Landesrentenbank kreditierte den Gutsherren die Ablösungssumme. Die Bauern mußten sie mit 4 Prozent verzinsen und amortisieren. Die Amortisation wurde auf 55 Jahre berechnet. Die letzten Rentenbriefe wurden im Jahre 1859 ausgegeben, die Renten waren also bis zum Jahre 1914 zu zahlen. Erst in diesem Jahre waren somit die mittelalterlichen, unwürdigen Zustände der Abhängigkeit von der Feudalherrschaft beseitigt. Der letzte Schritt in dieser Entwicklung wurde durch die Bodenreform im Jahre 1948 getan.

* Das Zeichen entspricht Pfennig (früher in Deutschland verwendet)