Vom armen Dorfschulmeisterlein
. . . . wöchentlich 6 Pfennig betrug das Schulgeld, als Bandmacher Kleinstück „Kinderlehrer“ zu Ohorn wurde. Sollte das Kind noch besonders im Diktieren oder Richtigschreiben Unterricht erhalten, so mußte es 9 Pfennige mitbringen. Sollte es gar noch „Schriftliches Rechnen lernen“, so hatte es einen ganzen Groschen zu entrichten.
— — und das war schon ein gewaltiger Fortschritt auf der sozialen Stufenleiter des Lehrerstandes. Vorher kannte man nur die sogenannte „Reihenschule“ und die Winkelschule. Der Lehrer zog mit seinen Schulkindern reihum von Bauer zu Bauer. Dort bekam der Schullehrer sein Essen. Jeder Bauer mußte außerdem jährlich ein Brot zu 8 Pfund geben, die Wirtschafter eins zu 5 Pfund und die Halbgärtner eins zu 2 Pfund. Es war ein gar kümmerliches Los, vor 200 Jahren Schulmeister zu sein. Die ersten Ohorner Lehrer hießen Hering und Hofmann. Beide waren sogenannte „Reihenschullehrer“. Von Hofmann lesen wir im Pulsnitzer Kirchenbuch, daß er 1701 geboren ist und daß er „von Almosen lebte“. Sein Sohn baute sich das Haus Nr. 3 im Oberdorf. Seine Nachkommen leben heute noch in unserem Orte. Hofmanns Nachfolger, der Schneider Johann Gottfried Senf unterrichtete bereits in dem von der Gemeinde errichteten Schulhaus im Grundstück Menzel im Oberdorf.
Dieses Haus steht heute nicht mehr. Es scheint durchaus kein Palast gewesen zu sein. Nach Angabe des Lehrers Kleinstück, dem Nachfolger Senfs, war die Schule klein, niedrig, nur einen Stock hoch, feucht und finster. Sie enthielt eine einzige große Stube, die zugleich des Lehrers Wohn-und Handwerksstube war. Darin wurden gleichzeitig 90 bis 100 Kinder unterrichtet, die Lehrersfrau kochte, wusch, versorgte ihre Kinder im gleichen Raum.
Der schon erwähnte Bandmacher und Lehrer Kleinstück war ein gar kluger und wißbegieriger Mann, er war in weiten Kreisen bekannt. In seinen Mußestunden widmete er sich der Feldmeßkunst, der Sternkunde, der Rechtskunde und der Weltgeschichte. Er brachte es zu erstaunlichem Wissen und Können. Leider ist sein hundertjähriger Kalender, den er seinem Landesherrn einsandte, verlorengegangen. Als Gemeindeschreiber verhalf er der Gemeinde einst zu 400 Talern. Fremde Soldaten hatten für 22 Stück Rindvieh im Kriegsjahre 1813 einen schlecht geschriebenen Schuldschein gegeben, den niemand entziffern konnte. Kleinstück übersetzte den Zettel und erreichte, daß Frankreich die Schuld anerkannte und bezahlte.
Er hat sein schweres Amt 25 Jahre lang in seltener Treue verwaltet. In seine Amtstätigkeit fällt die Weihe der neuen Schule — das jetzige Grundstück von Schönes Erben im Oberdorf.
Gar bald erwies sich auch dieses Gebäude als völlig unzureichend, es war außerdem feucht und ungesund. Als die Kinderzahl auf 300 angewachsen war, entschloß man sich nach vielen erregten Debatten und Sitzungen zum Bau des jetzigen Schulgebäudes. Es wurde 1879 geweiht, beging also bei der 600-Jahrfeier der Gemeinde sein 70jähriges Jubiläum. Von den früheren Lehrern seien noch erwähnt die Lehrer Kotte und Beckel. Kotte war 44 Jahre lang in Ohorn Lehrer. Seine Schüler erinnerten sich seiner in Dankbarkeit. Lehrer Beckel genoß ebenfalls den Ruf eines tüchtigen Lehrers. Er ist heute noch bei unseren ältesten Einwohnern unvergessen. Er amtierte von 1857 bis 1897.
Erst im Schulgesetz von 1873 wurde den Lehrern eine bessere Besoldung zugestanden.
Der Schulbesuch war in früherer Zeit sehr, sehr unregelmäßig. Eine eigentliche Schulpflicht besteht erst seit 1805. Aber noch 1812 beklagt sich Lehrer Kleinstück darüber, daß die Kinder äußerst unordentlich zur Schule kämen. Viele gingen nur im Sommer, im Winter gar nicht. Interessant ist das Versäumnisbuch vom Jahre 1831/1832: Wilhelm Prescher, Sohn des Bandmachers Gottlieb Prescher, schwänzte von 78 Schultagen 60, während Grohmanns August keinen Tag gefehlt hat. Und die Christiane, Juliane Schmidtin fehlte gar 63 Tage! Als Entschuldigungsgründe lesen wir:
. . . mußte Kinder warten, . . . keine Stiefeln!, . . . mußte spinnen!, . . . mußte Vieh hüten! Und einmal gar: . . . mußte wegen Armuth betteln gehen! Daß viele Kinder kein leichtes Leben hatten, beweist die Tatsache, daß sie sich oft schon als Schulkinder nach auswärts zu Bauern verdingten. Von der Sophie Haufin aus der Ziegelscheune lesen wir: . . . dienet in Bischheim!
Der unregelmäßige Schulbesuch wirkte sich für den Lehrer finanziell sehr nachteilig aus, sein Einkommen richtete sich ja nach der Zahl der Kinder, die tatsächlich zur Schule kamen.
Heute hat der Lehrer eine soziale Stellung inne, die der Bedeutung und Schwere seines Amtes entspricht. Sein Gehalt ist bedeutend erhöht worden. Möge es den zahlreichen Neulehrern ein Ansporn sein, ihr Wissen und Können voll zum Wohle der ihnen anvertrauten Kinder einzusetzen.