Unsere Handwerker - die Mühlen
Ohorn hatte in früheren Zeiten außer einem Schmied, einem Schuster und einem Schneider keine Handwerker. Prasser erwähnt 1869 drei Tischler, zwei Schmiede, einen Stellmacher, zwei Schuhmacher, außerdem Müller, Zimmerleute und Maurer.
Das Handwerkertum wurde früher mit allen Mitteln zurückgehalten. Das lag vor allem an den städtischen Handwerkern, die die Konkurrenz ihrer dörflichen Kollegen fürchteten. Durch Herzog Albrecht hatten sie das Bannrecht erhalten. Dieses besagte, daß im Umkreis einer Viertelmeile kein städtisches Gewerbe auf dem Dorfe betrieben werden durfte. Innerhalb der Stadt durfte außer an Markttagen nur von städtischen Handwerkern gekauft werden. Durch den strengen Zunftzwang konnten die Handwerksmeister den Nachwuchs beliebig abdrosseln. Interessant ist, daß Pulsnitz im genannten Jahre 1869 83 Schuhmachermeister, 20 Schneidermeister, 15 Tischler- und 5 Fleischermeister hatte.
Auch die Bauern standen der Niederlassung eines Handwerkers im Dorfe sehr ablehnend gegenüber. Diese „Eingebäudes“ durften an den Gemeindeversammlungen nicht teilnehmen, sie hatten weder Sitz noch Stimme in der Gemeindeverwaltung, im Gasthaus durfte ein „Häusler“ nie mit am Tische der Bauern sitzen, und nie und nimmer hätte ein Bauernsohn eine Häuslerstochter heiraten dürfen. Wer ein Handwerk auf dem Dorfe ausüben wollte, mußte außerdem die Genehmigung der Rittergutsherrschaft haben und einen „Geburthsbrief“ beibringen. In diesem „Geburthsbrief“ mußte er sich bestätigen lassen, daß er „ehelicher und ehrlicher Geburt“, also keines Schäfers, Baders, Henkers oder Müllers Sohn war. Er mußte sich zur Zahlung eines jährlichen Handwerkerzinses an die Herrschaft verpflichten.
Um 1800 hatte Ohorn zwei Schuhmacher, in der Nr. 152 wohnte Leberecht Freudenberg, in der Nr. 6, ebenfalls im Oberdorf, war es Johann Georg Kaiser, er erbaute sein Haus im Jahre 1808. 116 Jahre, vier Generationen, lang blieben die Kaisers im selben Hause ihrem Handwerk treu. 1924 starb im 81. Lebensjahre der Urenkel Georg Kaisers, der Schuhmachermeister Friedrich August Kaiser.
Zur selben Zeit (um 1800) gab es vier Schneider in Ohorn: Gottfried Rammer, Christoph Haufe, Georg Oswald und Traugott Sauer.
Bäcker und Fleischer brauchte man früher nicht. Die Bauern buken und schlachteten selbst. Der erste Bäcker scheint Julius Zschiedrich in den Waldhäusern gewesen zu sein. Heute hat Ohorn vier Bäckereien und drei Fleischereien.
Damals gab es zwei Schmieden, beide auf dem Gickelsberge. 1802 kaufte dort der aus Böhmen eingewanderte Sägenschmied Joseph Ernst von der Herrschaft Bau-, Feld- und Wiesenland und errichtete am Hahneflüßchen seine Sägeschmiede. Das idyllisch gelegene Grundstück ist heute noch allen Ohornern als die alte Sägeschmiede bekannt. Für das aus den herrschaftlichen Quellen zufließende Wasser mußte der „Sägeschmidt“ jährlich 5 Taler Erbzins zahlen, außer den sonstigen Zinsen hatte er 12 „Weiberhofetage“ zu leisten. Der Sägeschmidt wird als streitsüchtig, gewalttätig und rauflustig geschildert. Seinen Nachbar Traugott Noack bedrohte er sogar mit der Flinte. Die Schmiede ging mit dem Tode des Enkels Wilhelm Ernst im Jahre 1865 ein. Seine Enkelin, Frau Frenzel, hieß trotzdem bei allen Gickelsbergern bis auf unsere Tage nur: Sägeschmidts Lina.
Die Huf- und Waffenschmiede von Gottlob Hoyer in der Kohlicht Nr. 124 ging mit dem Tode des Besitzers kurz nach 1840 wieder ein.
Unsere heutige Schmiede im Mitteldorf (im Hause des ersten Bandmachers) wurde nach 1840 von Heinrich Moritz Frey, dem Urgroßvater unseres heutigen Schmiedes Erich Petzold, errichtet.
Am Ende der Fünfziger Jahre entstand nicht weit davon in dem Hause Nr. 36 eine zweite Hufschmiede. Der Begründer war der Schmiedegeselle Ernst Heinrich Mocke. Sein Sohn erweiterte den Betrieb und gründete 1912 eine offene Handelsgesellschaft, die sich auf den Bau von Autos verlegte. Autos waren damals noch eine seltene Erscheinung, und die „Mockeschen Ungetüme“ erregten viel Aufsehen.
Sogar eine Art Autobus ging aus der Mockeschen Werkstatt hervor. Mit diesem Vehikel wurde eine Zeitlang eine regelmäßige Verkehrslinie Pulsnitz—Königsbrück unterhalten. Unter dem Ingenieur Paul Mocke und seinen Nachfolgern ging der Betrieb immer mehr zurück, bis er 1932 zur Zwangsversteigerung kam.
Ein ähnliches Schicksal hatte der ursprünglich groß aufgezogene Betrieb von Gneuß in dem Ortsteil Röderhäuser. Der Betrieb war durch Bau und Neukonstruktionen von landwirtschaftlichen Maschinen weithin bekannt, ging aber wegen finanzieller Schwierigkeiten zugrunde.
Unsere beiden Mühlen, die Ober- und die Niedermühle, bestehen schon seit sehr langer Zeit. Der erste „Erbmüller“ in der Obermühle hieß Johann Christoph Birnstein. Er hatte schon 1735 das Recht, an seine Mahlkunden Bier zu schänken. Auch durfte er Branntwein brennen „auf erblich und für seine Nachkommen“. Er übte Mühlzwang über alle Bauern, Gärtner und Althäusler von Ohorn aus.
Die Niedermühle wurde 1750 errichtet. Der erste „Erbmüller“ war Andreas Birnstein. Seit 1853 ist die Mühle im Besitz der Familie Zschiedrich. Beide Mühlen brannten infolge Blitzschlages mehrmals ab. Vielen Ohornern wird schon nicht mehr bekannt sein, daß unser Ort auch einmal eine Windmühle besessen hat. Sie stand auf dem heutigen Wächterberge. Der Dominialhäusler und Brodbäcker Johann Fürchtegott Bürger aus Meißnisch-Ohorn erbaute sie im Jahre 1837. An einem Sonntag im Mai des Jahres 1859 brannte die Windmühle ab, wurde aber neu errichtet. 1868 wurde das Mahlen eingestellt. Der damalige Müller Philipp ließ die Mühle abtragen und verkaufte sie nach Hohenbocka. Das Grundstück kaufte 1875 der spätere Gemeindediener und Nachtwächter Günther aus Bretnig. Er war treu und gewissenhaft und starb im 84. Lebensjahre 1927 als „dr Wächter“. Der Berg heißt in Erinnerung an Günther heute noch der Wächterberg.
Heute sind alle wichtigen Handwerke in Ohorn vertreten, und unsere Handwerker genießen allesamt den Ruf, geschickte und gewissenhafte Meister ihres Faches zu sein.