Die Kriegsfurie raste durch Ohorn
Viel Schweres hat unser Heimatort in den sechshundert Jahren seines Bestehens durchgemacht. Ein unseliger Krieg löste den anderen ab, und jeder zerstörte wieder, was Fleiß und Zähigkeit der Bewohner in kurzen Friedensjahren geschaffen hatten. Den ersten schweren Schlag erlitt die junge Gemeinde während der Hussitenkriege. Im Jahre 1429 wälzte sich ein ungeheurer Heerhaufe von Bischofswerda nach Kamenz hin. Die Cottbus-Gubener Jahrbücher berichten, daß zu dieser Zeit über Pulsnitz und Elstra hin die Feuersäulen allenthalben emporgelodert seien. Unsere damalige Nachbargemeinde Bernhardsdorf, im Schweinegrund am Südhange des Steinberges gelegen, wurde völlig zerstört und zur „wüsten Mark“. Auch zwischen Ohorn und Großröhrsdorf soll sich eine zu Ohorn gehörige Siedlung befunden haben, die ebenfalls „zur wüsten Feldmarke“ wurde. Die Bewohner waren, um wenigstens das nackte Leben zu retten, in die Wälder geflüchtet. Wieviel Häuser in Ohorn erhalten geblieben sind, wissen wir nicht. Es gibt keine Aufzeichnungen aus dieser Zeit. Daß Ohorn aber zu einer ganz kleinen Siedlung zusammengeschmolzen war, ersehen wir aus den Erbbüchern des Amtes Radeberg aus dem Jahre 1551. Dort steht: „In diesem Dorfe sind 11 besessene Mann, die Alle sind Baltzer von Schlieben zur Polsniz lehn- und zinsbar. 10 Hufen Landes sind in dieses Dorfes Flur gelegen und zu diesem Dorfe gehörig.“
Während des Dreißigjährigen Krieges ereilte Ohorn das gleiche Schicksal. Die Schweden brannten den Ort gänzlich nieder. Die in die Wälder geflohenen Einwohner sahen vom Hochsteingipfel aus ihre Heimat als rauchende Trümmerstätte. Die Chronik meldet, daß sich die traurigen Ueberreste der Behausungen in einem solchen Zustande befanden, daß sich kein Käufer fand, der ein solches Haus auch nur „umbsonst“ annehmen wollte. Eine Anzahl Bewohner fiel den durch die Soldaten eingeschleppten Seuchen zum Opfer. Es grassierten Typhus und vor allem die schreckliche Beulenpest. In der Pulsnitzer Chronik steht: wieviel in der Parochie gestorben sind, findet man nirgends aufgezeichnet. Die von der Pest Befallenen waren gewöhnlich binnen zwei Tagen gesund und tot. In Ohorn wurden die an der Pest Verstorbenen auf den „Siebenäckern“ am Hange des Tanneberges beerdigt.
Besonders schlimm sollen die „Hatzfeldischen Reiter“ gehaust haben. Alle Häuser wurden von ihnen rein ausgeplündert, und was sie nicht fortschaffen oder benutzen konnten, ward zerschlagen, zerrissen und verbrannt. Niemand durfte es wagen, sein Hab und Gut zu verteidigen. Auch wußten die Unholde jeden geheimen Winkel und Versteck in den Häusern recht wohl zu finden, denn es fehlte ihnen nicht an hier heimischen Verrätern, die sich zu ihnen gesellt hatten. Auch der Großröhrsdorfer Pfarrer Klette klagt: „Uebel gesinnte Kirchkinder haben sich das allgemeine Entweichen zu Nutze gemacht und haben mit geraubt, davon sich viel reden ließe. Im Städtlein Pulsnitz wurden 6 Häuser zerstört, vor den Toren 39.“
Während des Siebenjährigen Krieges lagerten lange Zeit mehrere tausend Soldaten und 1700 Wagen auf den Hofewiesen. „Sie gebehrdeten sich wild und verübten viele Boßheiten.“ Teuerung und Hungersnot trieb damals viele zum Bettelstab, und sie sind mit Weib und Kindern entlaufen. Hunger und Kümmerniß waren allgemein, Ohorn war ganz ausgesogen.“
Eine militärische Order des preußischen Generals von Uhlenburg befiehlt der Gemeinde Großröhrsdorf, „sonder den geringsten Zeitverlust zwanzig vierspännige Wagen anhero zu senden“. Sie ist unterzeichnet: „Im Lager zu Ohorn bei Polschnitz, den 1. August 1757.“
Von den folgenden Kriegsjahren berichten die Ohorner Rittergutsakten weiter: „Am 19. November 1758 fouragierten die Preußen in hiesiger Gegend aller Orten, entrissen den Leuten, was sie sonst hatten und ihnen gefiel, ruinierten Häuser und Zäune und verbrannten die Trümmer derselben in den Wachtfeuern.“
Nach der Niederlage bei Jena und Auerstädt kamen wiederum „böse Einquartierungen, die die Einwohner arg turbierten und sogar mit Schlägen traktierten. Unser Landbrot verachteten sie und trieben damit schändlichen Spott und empörende Unart“. Aber wenige Jahre später, als dieselben Truppen geschlagen aus Rußland zurückkehrten, „flehten sie gar oft knieend um einen Bissen trockenen, schwarzen Brodes und küßten ihn, ehe sie ihn zum Munde führten“.
Ohorner Bauern mußten nach Königsbrück fahren, um solch Elende, die sich alle Glieder erfroren hatten, zu befördern. Kaum waren diese traurigen Ueberreste der französischen Armee fort, als auch schon russische Husaren, kalmückische leichte Kavallerie, Kosaken und preußische Infanterie in Ohorn und Umgebung erschienen.
Nach der Schlacht bei Bautzen hatte Ohorn französisches Militär zu verpflegen, was der ausgesogenen Gemeinde neue ungeheure Kosten verursachte. Prasser schreibt: „Vorzüglich quälte der völlige Mangel an Salz, der wegen der Sperrung Dresdens eingetreten war.“ Nach der Schlacht bei Leipzig mußte Ohorn Schanzarbeiter nach Dresden stellen. Es herrschte damals ein bösartiges Nervenfieber, in Ohorn starben daran mehr als 20 Personen. Der Friedensschluß brachte für unsere Bevölkerung neue große Belastungen, Sachsen mußte 2 Millionen Taler aufbringen und verlor mehr als die Hälfte des Landes an Preußen. Dazu kamen strenge Winter, Mißwachs und Teuerung, immer wieder Einquartierungen und Truppendurchmärsche, so daß Ohorn völlig verarmte. Nur sehr langsam erholte sich der Ort von den Schrecken der Kriegszeit.
Der Krieg 1866 hatte nur wenig Auswirkungen auf Ohorn. Es mußten zwar große Lieferungen an Korn, Vieh, Heu, Stroh geleistet werden, aber alles wurde bezahlt. Als im Juni 1866 preußische Truppen in Sachsen einmarschierten, fuhr der Schreck — eingedenk der Ereignisse in früheren Zeiten — unseren Vorfahren gehörig in die Glieder. Zahlreiche Gerüchte breiteten sich aus, es hieß, die Preußen kämen von Bischofswerda her und holten alle Männer zum Schanzen fort, Beispiele von Plünderungen und Mißhandlungen wurden berichtet. Eine Angstpsychose ergriff unsere Ohorner, alles normale Leben stockte, viele Männer flüchteten in die Wälder. So lief der Bäckermeister Julius Zschiedrich in den Waldhäusern, der eben Brot gebacken hatte, auf ein solches Gerücht hin in den nahen Wald. Er nahm ein Brot und ein Stück Butter mit, nach einiger Zeit kehrte er vorsichtig zurück, nahm schnell das inzwischen fertig gebackene Brot aus dem Ofen und floh erneut. Weil sich aber kein Preuße blicken ließ, kehrte er bald wieder zurück. Eduard Schöne aus der Nr. 174 verkroch sich ins hohe Korn. Die Frau des Traugott Stange, der sich mit seinem Geschirr im Oberbusch befand, raffte schnell einige Lebensmittel zusammen, suchte damit ihren Mann auf, nahm bewegt von ihm Abschied und fuhr mit Pferd und Wagen nach Hause. Aber schon nach wenigen Stunden kehrte auch Traugott wieder heim. Der Bauer Friedrich Hoyer steckte einen hohlen Baum in der Nähe seines Grundstückes voller Brote. Man hatte sich umsonst gesorgt. Ohorn blieb völlig unbehelligt. Es stellte 30 Mann, die in den Krieg zogen. Alle kamen heil wieder nach Hause. Nur Friedrich Steglich behielt infolge eines Ellenbogenschusses einen steifen Arm. Der Deutsch-Französische Krieg 1870-1871 brachte eine größere Zahl Einberufungen. Unmittelbare Einwirkungen auf die Gemeinde waren nicht zu spüren. Man gründete lediglich einen „Hülfsverein für die hülfebedürftigen Frauen und Kinder der zur Fahne einberufenen Reservisten und Landwehrmänner“. Vier von den Einberufenen kehrten aus Frankreich nicht mehr heim. Es waren der Gutsbesitzer August Grohmann aus Nr. 158, der Gutsbesitzerssohn Wilhelm Haufe aus Nr. 166, der Häuslerssohn August Mager aus Nr. 159 und der Häuslerssohn Friedrich August Berndt vom Gickelsberg Nr. 97.