In geheimer Mission für die neue Litfaßsäule
Für die dringend notwendige Sanierung fehlte das Geld. Deshalb bat Reiner Kunze ein Fernsehteam um Hilfe.
Am Montagabend saß halb Ohorn vor der Glotze. Ihr Gickelsberg flimmerte über die Mattscheibe. Einige Mitglieder des Heimat- und Geschichtsvereins gleich mit. Sie hatten ihren großen Auftritt. Die Hauptrolle aber spielte eine Litfaßsäule. „Die Litfaßsäule ist unser Wahrzeichen, seit über 70 Jahren steht sie auf dem Gickelsberg“, sagt Reiner Kunze vom Verein. Doch das Wahrzeichen bröckelte. Löcher hatten sich in den Beton gefressen. Bunte Plakate, die Tanzveranstaltung ankündigten oder Zettelchen mit dem Bild eines vermissten Kätzchens, klebten seit Jahren nicht mehr dran. „Wegreißen kam für uns nie infrage“, sagt Bürgermeister Frank Jäger. Doch die unschöne Optik störte. „Vor allem unserem Vereinsmitglied Heinz Mahler lag die Litfaßsäule am Herzen, immer wenn wir uns trafen, machte er darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, die Säule zu erhalten und wie dringend eine Sanierung wäre.“ Heinz Mahler erinnert sich noch genau, wie man sich hier zum Tanz traf oder wie Schüler von hier aus zur Penne aufbrachen.
Die zündende Idee vorm TV
An einem gemütlichen Fernsehabend hatte Reiner Kunze dann die zündende Idee. Er zettelte die geheime Mission neue Litfaßsäule an. „Ich meldete mich bei der Sendung Mach dich ran des MDR an. Schon nach zwei Wochen erhielt ich einen Anruf, die Redaktion vereinbarte einen Vorabtermin.“ Der Zuschauer sieht das natürlich nicht.
Am 31. März war es mit der Beschaulichkeit vorbei. „Da rückten das Fernsehteam und der Moderator Mario D. Richardt an, um die Tagesaufgabe zu erfüllen.“ Mit etwas zittriger Stimme sprach Reiner Kunze ins Mikro. „Wir wollen eine neue Litfaßsäule für den Gickelsberg.“ „Ich war sehr aufgeregt, der Kameramann sagte, ich könne ruhig freundlicher gucken.“ Der Moderator machte sich also ran, um die Aufgabe zu erfüllen. Dazu musste er Sponsoren für Baumaterialien und fleißige Bauarbeiter zusammentrommeln. Natürlich ganz spontan. Punkt 10Uhr stand das Fernsehteam bei Frank Jäger auf der Matte. Doch der konnte bei der Bitte um eine Geldspritze nur mit dem Kopf schütteln. Wegen dem Großprojekt Grundschulsanierung bleibt im Gemeindesäckel kein Groschen hängen. Also musste es anders angepackt werden.
Hier kleben Termine dran
„Das Team machte sich auf die Suche“, erklärt Reiner Kunze. „Bis abends war Zeit, sonst hätten sie verloren.“ Die Firma Beton Grafe aus Schönfeld spendierte neue Betonringe, der Ohorner Containerdienst Schumacher transportierte die alten ab. Der Bürgermeister organisierte Bauleute der Firma Bau Cooperation Bautzen von der Grundschulbaustelle. „Da gab es null Problem, ich habe zu ihnen ein gutes Verhältnis.“ Doch ohne Panne ging die Aktion nicht ab. „Als wir den ersten Ring einsetzen wollten, stellten wir fest, dass noch welche in der Erde lagen. Damit die Ringe halten, musste Beton rein“, so Kunze. Kurz entschlossen kümmerte sich darum Heimo Vogl, der Bauhofleiter von Ohorn. Fünf Brunnenringe wurden übereinander gestapelt, der alte Hut wurde wieder aufgesetzt. Ein bisschen Historie soll am Wahrzeichen weiter leben.
Gut 2,70 Meter ragt die restaurierte Litfaßsäule am Gickelsberg in die Höhe. Demnächst will Frank Jäger ein kleines Messingschild anbringen lassen, das auf Sponsoren und Renovierungsdatum hinweist. „Es hat sich schon jemand bei mir gemeldet, der die Säule bewirtschaften will.“ Ab jetzt dürfen sich hier wieder verliebte Pärchen zum Tanz treffen oder lachende Kinder zur Schule aufbrechen. Und die Ausrede, man habe Termine verpasst, gilt in Ohorn nicht mehr. Sie kleben bald alle an der Litfaßsäule.
Quelle:
Sächsische Zeitung, von Carolin Barth, Foto: matt
Ausgabe von Donnerstag, 17. April 2008