Der „Ohorner“
Ohorner Familiennamen - ein interessantes Kapitel Kulturgeschichte
Der Stamm der alteingesessenen, echten „Muor'schen“ ist trotz der zahlreichen Zuzüge in den letzten Jahren noch deutlich erkennbar. Der alte Ohorner verrät sich sofort durch sein ganzes Wesen und durch seine Mundart. Die Mundart ist zwar im Kern die lausitzer, ist aber doch durch die sächsischmeißnische beeinflußt. Sie klingt im Gegensatz zu der rauhen Sprache des sogenannten Oberlandes viel weicher und hat bereits das eigenartig Singende der sächsischen Sprache. Dieser charakteristische Tonfall ist von einem Fremden nicht nachahmbar, und wenn er Jahrzehnte unter den „Eingeborenen“ lebt. Dazu kommen noch ganz besondere Lokalausdrücke: Eine nicht besonders angenehme Arbeit ist „ne Hauptsache“, etwas Geplantes kann „klappen lernen“, wer es eilig hat, „hats nutwendg“, der Ohorner kommt nicht runter oder hinter, sondern „runger und hinger“. Er ist sehr skeptisch und kritisch und meint vor jeder geplanten Veranstaltung oder Neuerung: „s wird o nischt sein!“ Der Ohorner ist überhaupt nüchtern und hat einen ausgeprägten Erwerbssinn, er ist sehr fleißig, sein Arbeitstag ist oft doppelt so lang als normal, denn nach der Arbeit im Betrieb ist zu Hause die Haus- und Feldarbeit zu erledigen und das Vieh zu betreuen, dazu kommt bei vielen Leuten noch die Heimarbeit für die Bandindustrie.
Ein interessantes Kapitel Kulturgeschichte sind die Ohorner Familiennamen. Oberlehrer Sticht hat sich in seiner Chronik der Mühe unterzogen, alle im Jahre 1934 in Ohorn vorkommenden Namen zu deuten. Alle Interessenten seien auch an dieser Stelle auf diese umfangreiche, handschriftliche Arbeit verwiesen. Hier können aus Raummangel nur einige charakteristische Beispiele angeführt werden. Ursprünglich hatte jeder Mensch nur einen Namen —seinen Rufnamen. Als die Bevölkerung wuchs, genügte die Einnamigkeit nicht mehr. Um Verwechslungen zu vermeiden, fügte man dem Rufnamen einen Beinamen, den heutigen Familiennamen, bei. Die Bedeutung ist im Laufe der_ Jahrhunderte oft stark verwischt, die Schreibweise hat sich oft geändert, so daß der Namenforscher sehr oft vor undurchdringlichem Dunkel steht. Die Deutungen bedeuten oft nur Mutmaßungen. Bei den Ohorner Namen ergibt sich die interessante Tatsache, daß über die Hälfte aller Namen germanischen bzw. altdeutschen Ursprungs sind. Eine Anzahl sind slawischer bzw. sorbischer Herkunft, die übrigen Namen sind biblischen Ursprungs, oder sie bezeichnen die Herkunft, die Wohnstätte, den Beruf oder hervorstechende Eigenschaften ihres Trägers. Am zahlreichsten ist der Familienname Schöne vertreten. Wir zählen fast 200 Träger in über 30 Familien. Dem Namen Schöne folgen die Namen Prescher, Oswald, Freudenberg, Mager, Bürger und Schmidt mit 100 20mal vertreten sind die Namen Frenzel, Schäfer, Schölzel, Birnstein, Körner, Steglich, Berger, Höfgen, Rammer und Kaiser. Fast alle diese Namen finden sich bereits in den alten Erbbüchern des Amtes Radeberg vom Jahre 1589.
Die aus althochdeutschen und germanischen Wurzeln entstandenen Namen sind am schwersten zu deuten. Die Berndts und Birnsteins sind auf althoch- deutsch (and.) „bero“ = Bär zurückzuführen. Frömmel ist der „vrume“ = der Tüchtige. „hagan“ bedeutet Hag, -eingefriedeter Ort, daraus entstanden die Namen „haganrich“ - Heinrich, Heink, Heinze, Hennig, Hentschel, Hahn. Da das and. Wort „Iunzo“ Wald bedeutet, ist Lunze der Waldbesitzer. Mager ist nicht der Magere, sondern ist aus and. „magan“ zu erklären. „magan“ bedeutet etwas vermögen; etwas können. Auf denselben Stamm führen wir zurück Mehnert, Mägel, Menzel. Die Rammers sind die Starken, die Gewaltigen (and. „ramo“). Die Geblers und Gäblers stammen vom ahd. „geban“ und bedeuten Freigebige, gastfreundliche Menschen. „kuoni“ bedeutet kühn, es ist das Stammwort für die Namen Kuhnert, Kunath, Kühne, Kunze. Auf ahd. „wan" = Glanz, Schönheit zurückzuführen sind die Namen Wehner und Wähner.
Erinnern wir uns an die Zeit der Kolonisation, der Besiedlung unseres Ortes, so finden wir zwanglos die Deutung für eine große Anzahl Namen, die den Wohnsitz ihres Trägers näher bezeichnen:
Es sind die Ackermanns und die Angermanns, die Bergers siedelten auf dem Berge, die Borns an einem Born, einer Quelle, die Steglichs am Stege, die Brückners an der Brücke, die Thalheims s hatten ihr Heim im Tale, die Hübners auf dem Hübel, die Hübners dagegen sind Hufenbauern, die Freudenbergs waren freie Bauern auf dem Berg, die Kleinstucks hatten wahrscheinlich ein kleines Ackerstück, die Pfützners saßen am Teich und die Grundmanns im Grunde.
An Berufsnamen finden wir in Ohorn u. a. die Bauer und Gebauer Nach- bar, Mitbauer), Gärtner, Hofmann, Höfgen und Hoferichter sind Hofbesitzer. Richter ist der Dorfrichter oder Gemeindevorstand (auf „Richter Augusts“ Gut saß der Vorstand von Böhmisch-Ohorn). Die Namen Schäfer, Schneider, Schmidt erklären sich von selbst. Ob der etwas seltsame, aber in Ohorn und Umgebung häufige Name Ziegenbalg „Zieh den (Blase ) Balg“ bedeutet, also auf das Schmiedehandwerk hinzielt, sei dahingestellt.
So ziehen die einzelnen Berufe in bunter Reihe als ein getreues Spiegelbild des gewerblichen Lebens im Mittelalter an uns vorüber. Um Menschen mit gleichen Vornamen zu unterscheiden, bezeichnete man auch gern hervortretende körperliche oder geistige Merkmale oder Eigenheiten der lieben Mitmenschen mit einem Namen. Oft haben diese Namen einen tadelnden oder spottenden Beigeschmack - ein Beweis dafür, daß auch schon unsere Vorfahren den Splitter in unsers Bruders Auge sehr wohl bemerkten. So war „Kahlert“ sicherlich ein Kahlkopf, Stanze war ein langer, steifer Mensch, Frenzel war der kleine Franz, Großmann der große Mann, es gab aber auch den guten Mann, den Gutmann. den sanften, milden = Milde, den Kluge, den Kleinert und den Lange — und vor allem den Schöne.
Infolge- der Häufigkeit vieler solcher Beinamen ist man um nichts gebessert. Je zahlreicher eine solche Sippe wurde, um so mehr Verwechslungen gab es wieder. So ergaben sich zwangsläufig zu den Beinamen noch einmal Beinamen. Es gibt Sträucher-Schönes, Berg-Schönes, Schul-Schönes usw. Oder man erfindet einfach ganz neue Namen, die den Nichtohorner völlig verdreht machen können. Warum, so fragt er, heißt ein Schöne nicht Schöne, sondern Richter? Warum heißt es nicht bei Haufes, sondern bei Busch-Maxens? (Die Antwort muß heißen: weil dort Kaisers wohnten, die eine Kaiser-Sippe aber Buschens genannt wurde, wahrscheinlich weil sie im Gegensatz zur anderen Kaiser-Sippe Busch besaßen!)
Eine ganze Reihe Namen sind nach biblischen Vorbildern entstanden: die Anders bedeuten Andreas. Vom Franz (Franziskus) stammt der Name Frenzel, auf Johannes und Hans zurückzuführen sind die Namen: Jähne, Jany, Johne, Hänsel; Michel kommt von Michael, von Philippus kommt der in Ohorn sehr verbreitete Name Philipp her.
Da wir uns in Ohorn in nächster Nachbarschaft des sorbischen Gebietes befinden, so ist es nicht verwunderlich, daß sich eine Anzahl sorbische bzw. slawische Namen eingebürgert haben: Der Name Wendt bedeutet ohne Zweifel „der Wende". Hierher gehören die Namen: Benes, Bielas, Buchta, Janazek, Krahl, Kretschel, Stenzel und viele andere. Benes ist die slawische Form von Benediktus = der Gesegnete, byl bedeutet Pflanze, Bielas ist also ein Gärtner, Buchta scheint Beziehung zu Buchteln = Mehlspeise zu haben. Kral = König, Kretschel ist ein Gastwirt, eine sorbische Schänke heißt Kretscham, und Stenzel dürfte mit dem heiligen Stanislaus verwandt sein.