Ein Gang durch Ohorn
Ohorn ist mit seinen 2800 Einwohnern neben Bretnig die größte Landgemeinde des Kreises Kamenz. Die Entfernung von der Kreisstadt beträgt 15 km, von der Landeshauptstadt Dresden 35 km. Ohorn ist der höchstgelegene Ort unseres Kreises. Das Rathaus liegt 324 Meter hoch, wer von hier zum Forsthaus auf dem Schleißberg will, hat noch 100 Meter Steigung zu aberwinden. Diese Höhenlage macht es erklärlich, daß in Ohorn oft noch eine feste Schneedecke zu finden ist, während in Pulsnitz schon längst der Schnee zu Wasser geworden ist. Auch der Wind pfeift ganz anders, sobald man aus der Stadt heraus ist, daher rührt der oft gehörte Ausdruck: „Unser Muohrn is anne aale Windpfeife“
Ohorn ist ein sehr zertragener Ort. Seine Ortsteile sind: Oberdorf (der älteste Ortsteil), Mitteldorf, der Gickelsberg, die Fuchsbelle, die Waldhäuser, die Röderhäuser, die Rand- und Neubauernsiedlung an der Straße nach Pulsnitz. Diese Zertragenheit hat zur Folge, daß die Gemeinde ein ausgedehntes Wegenetz zu unterhalten hat; bis zur Uebernahme der Bezirksstraße durch den Staat waren es insgesamt 26 km, eine böse Belastung für das Gemeindesäckel.
Der Gickelsberg ist fast eine kleine Gemeinde für sich, er liegt eine halbe Wegstunde vom Ort entfernt, malerisch liegen seine Häusel verstreut an den Berghängen des Schleißberges und des Schwedensteines. Die „Eingeborenen“ unterscheiden auch hier wieder noch einzelne Ortsteile, da haben wir die Kohlicht am Schleißberghang (in früheren Zeiten übten dort die Kohler ihr rußiges Handwerk aus), den eigentlichen Gickelsberg und den Hahneberg (dort, wo sich das Hahneflüßchen durch die Wiesen schlängelt). Vor wenigen Jahren noch klapperten in den meisten Häusern die Hauswebstühle, heute gehen die Leute in die Betriebe und am Abend versorgen sie ihre kleine Wirtschaft. Ein altes Gebäude fällt uns auf, wir erfahren, daß sich hier die „Sägenschmiede“ befand, von der noch die Rede sein wird. Trotz seiner Abgeschiedenheit nimmt der Gickelsberg am Gemeindeleben regen Anteil, und bei dörflichen Veranstaltungen kann man durchaus auf die „Gickelsbergschen“ rechnen.
Das Oberdorf ist der älteste Ortsteil, hier an der Pulsnitzquelle und entlang des Oberlaufes des Bächleins entstanden die ersten Kolonisten-Siedlungen. Steil geht es aufwärts, wir entdecken ein paar alte Lausitzer Umgebindehäuser, kommen an der Bandfabrik von Friedr. Jos. Rammer vorbei (die älteste Ohorner Fabrik). Vom letzten Hause aus statten wir dem Schleißberg schnell einen Besuch ab. Am steilen Hang Iiegt ganz herrlich unsere Jugendherberge, nach dem großen dänischen Dichter Andersen-Nexö benannt. Die Aussicht von dem Balkon ist ganz unbeschreiblich schön. Auf dem Bergesgipfel steht das im bayrischen Stil erbaute Forsthaus, einst ein Lustschloß der Pulsnitzer Herrschaft.
Beim Abstieg kommen wir am Ehrenmal vorüber, es wurde dem Gedächtnis der Gefallenen des ersten Weltkrieges errichtet. Der Name Schleißberg rührt von einer Abmachung Ohorner Bauern mit der Rittergutsherrschaft her, nach der alljährlich ein sogenannter Schleißbaum zum Herstellen der Kienspäne gefällt werden durfte. Der Ostausgang des Oberdorfes geht über in den Tellerweg, den Hauptweg durch die ausgedehnten Waldungen. Rechts vom Tellerweg, im Walde, liegt die sogenannte „Stipendie“, zu deutsch: das Geschenk. Es sind zwei Waldwarterhäuser, wahrscheinlich eine Stiftung der damaligen Herrschaft.
Am Dorfplatz beginnt das Mitteldorf, rechts der Pulsnitz das ehemalige Böhmisch-Ohorn, links das Meißnisch-Ohorn. Die Mittelschänke ist ein altes Umgebindehaus, schönes Fachwerk sehen wir am Bauernhaus des Oswin Horn, einem der ältesten Hauser Ohorns.
Das Mitteldorf ist das eigentliche Zentrum des Ortes. Hier finden wir die Gemeindeverwaltung im stattlichen, 1926 errichteten Rathaus, hier ist die Schule, die Post, die MAS mit ihrem Kulturhaus, hier sind drei Gasthöfe und eine Anzahl der größeren Fabrikbetriebe.
Die Fuchsbelle ist die Ecke Ohorns, wo sich die Füchse Gute Nacht sagen. Seit aber auch hier die Industrie ihren Einzug gehalten hat, haben sich die Füchse in den angrenzenden Hufenwald verzogen. Auf den alten Flurkarten finden wir den Namen Fuchsbelle noch nicht. Die Häuser tragen die Bezeichnung: Unter der Schäferei. Das erinnert uns daran, daß sich früher in der Nordwestecke, der sogenannten Hofewiese — dort, wo heute noch die schönen alten Lindenbäume stehen — die große Schäferei des Rittergutes befand. Es wurden zirka 700 Schafe gehalten. Die fast nach Pulsnitz reichende doppelte Häuserzeile am Ausgange der Fuchsbelle trägt den Flurnamen „Die Klinge". Unter Klinge versteht man eine Talmulde. Die Klinke in Bretnig dürfte dieselbe Bedeutung haben.
Die Waldhäuser an der Bezirksstraße nach Bretnig standen früher direkt am Waldrande, durch umfangreiche Rodungen ist der Waldgürtel ein großes Stück nach Süden gerückt. Die Waldhäuser tragen ihren Namen auch erst seit neuerer Zeit. Auf alten Karten finden wir die Bezeichnung: Vor dem Siek und hinter dem Siek. Mit Siek ist der kleine Teich bei den Häusern Nr. 196, 198 und 199 gemeint.
Die sogenannte Doktorsiedlung (weil sich dort das ehemalige Arzthaus befindet) ist auch noch zu den Waldhäusern zu rechnen. Sie verbindet das Mitteldorf mit der Fuchsbelle. Das Gelände wurde auf Grund eines Pachtvertrages mit dem Staat im Jahre 1928 der Gemeinde bis zum Jahre 2013 überlassen. Diese Siedlung ist durch ihre freundlichen Häuser und vor allem durch die hübschen, gepflegten Gärten vor und hinter den Häusern zu einer besonderen Zierde des Ortes geworden.
Der Ortsteil „Röderhäuser“ beginnt ungefähr dort, wo die Autobahn Dresden—Bautzen die Bezirksstraße schneidet. Er erstreckt sich ostwärts bis an die Buschmühle mit dem schönen Buschmühlbad. Die Röder war ursprünglich eine Räumicht, d.h., durch Rodung des Waldes schafften sich die Bauern zusätzliches Wiesenland, später erst entstanden hier Häuser und Grundstücke, die von den betreffenden Bauerngütern abgetrennt wurden und Söhnen oder Brüdern der Altbauern übergeben wurden.
Die Randsiedlung und Neubauernsiedlung ist Ohorns jüngster Ortsteil. Ein schmaler Geländestreifen an der Pulsnitzer Straße wurde im Jahre 1937 kinderreichen Familien zum Bau von drei kleinen Doppelhäusern zur Verfügung gestellt. Nach Aufteilung der ehemaligen Rittergutsfluren entstanden hier außerdem vier Neubauernsiedlungen. An der linken Straßenseite stehen die hübschen Grundstücke der Neubauern Beyer und Hommel, an der rechten Seite die der Neubauern Reichel und Bienek.
Die Gesamtfläche des Gemeindebezirkes Ohorn beträgt 875,93 ha.